18 - Kommunikation

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Noak winkelte ihren linken Flügel an und ließ sich von der Brise hoch über den Lagerfeuern der Armee der Nordländer nach Süden tragen. Zahllose leuchtende Punkte sprenkelten das Land unter ihr und erlaubten ihr eine grobe Schätzung, wieviele Krieger sich inzwischen hier versammelt hatten. Jede Nacht beobachtete sie mehr Feuer, und jede Nacht erstreckten sie sich weiter gegen Süden.

Sie dachte an den Ältesten Ranoz, der es nicht mochte, in die Angelegenheiten der Menschen hineingezogen zu werden. Noak ging es ähnlich, aber nachdem der Rat der Hrankaedí sie beauftragt hatte, ein Auge auf der Entwicklung zu halten, fühlte sie sich verantwortlich. Wer, wenn nicht sie, würde den Krieg von den Kreaturen der Nacht fernhalten?

Zum Glück waren zumindest die abgelegenen Bergregionen von Eshte und Eshekir nicht in Gefahr, wohin die Hrankaedí und Ijenkaedí, die Drachenschatten und die großen Dunkelheiten sich längst vor den Menschen zurückgezogen hatten. Ganz anders stand es um die Heimat der Xylin und der Kaedin, der kleinen Dunkelheiten. Sie lebten in den warmen Flusstälern mit ihrem Überfluss an Wasser und ausgedehnten Wäldern. In einer vom Krieg zerstörten Einöde konnte  sie nicht überleben, in unfruchtbarem Land getränkt von Blut und zertrampelt von tausenden von Füßen und Hufen.

Die Hrankae blies eine Wolke von heißem Rauch aus ihren Nüstern. Vielleicht hätte sie dem Rat des Ältesten folgen sollen und die Dinge sich selbst überlassen. Wer wusste, was ihre Einmischung am Ende bewirkte. Ihr Plan hatte überzeugend geklungen, als sie ihn entwarf. Sie wollte versuchen, die Heere in die Irre zu führen und sie möglichst dazu bewegen, ohne Kämpfe in ihre jeweilige Heimat zurückzukehren. Oder, sollte dies nicht gelingen, würde sie versuchen, die Krieger in einer möglichst großen Schlacht aufeinanderprallen zu lassen. Vielleicht ließ sich so das fortschreitende Niederbrennen ganzer Landstriche unterbrechen, bevor es zu spät war.

Zudem wollte Noak dem Ältesten Ranoz beweisen, dass die Wesen der Nacht nicht machtlos waren gegenüber den Menschen. Und nun war sie also hier, im Norden des Landes Kelèn, wo die Kämpfe unmittelbar bevorstanden.

Zumindest hatten außer Salik auch die Kaedin ihr geholfen, sich ein Bild der Situation zu verschaffen. Inzwischen wusste sie, wo die Horden des Nordens operierten und wo die Teile des Heers der Südländer standen. Sie schnaubte. All das Wissen nütze ihr nichts, wenn sie keine Möglichkeit fand, die Heerführer zu beeinflussen. Und die Zeit lief ihr davon.

Mit kräftigen Flügelschlägen zog sie in einem weiten Bogen gegen Süden. Hier lagerte der König von Kelèn mit seinen Truppen. Er hatte sich in Position gebracht, um den Vorstoß der Nordländer aufzuhalten. Die königliche Armee war besser organisiert, zählte aber weniger Krieger als die  Gruppen ihrer Gegner zusammen. Zudem liefen die Keleni Gefahr, in eine Zange zu geraten. Noak bezweifelte, dass eine Niederlage des Königs erstrebenswert war. Bisher waren es die Nordländer gewesen, die sich als Brandstifter betätigt hatten. Von ihnen schien die größere Gefahr auszugehen.

Wenn Noak etwas tun wollte, dann musste sie es bald tun. Nur was? Sie wollte gerade wieder nach Norden abdrehen, als der gedankliche Ruf eines anderen Drachenschatten sie erreichte. Salik musste ganz in der Nähe sein. Noak antwortete, indem sie ihren eigenen Gedanken in die Dunkelheit projizierte.

„Ich bin hier."

Kurz darauf passte Salik seine Flugbahn der ihren an.

„Noak." Der junge Drachenschatten blinzelte und synchronisierte seine Flügelschläge. „Eine Gruppe von Xylin und Kaedin hat sich beim stehenden Stein versammelt. Ich glaube, sie wollen mit dir sprechen."

Noak unterdrückte ein Seufzen. Sie kämpfte immer noch damit, die kleinen Dunkelheiten zu verstehen, und sich mit den leuchtenden Kugeln zu unterhalten war eine echte Herausforderung. Salik ging es nicht besser.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now