8 - Mehr als ein Schwert

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Pentim stürzte außer Atem den Gang entlang zu dem Raum, den Duwish für seine Lektionen benutzte. Sollte er wieder zu spät sein, würde sein Lehrer ihm vorwerfen, dass er Staatskunde und Diplomatie nicht ernst nahm. Damit hatte er nicht ganz unrecht, aber Pentim war fest entschlossen, seiner Rolle als Thronfolger gerecht zu werden. Vor der Tür blieb er kurz stehen, schöpfte tief Atem und trat würdevoll ein. Das Zimmer war eiskalt und leer. Durch das geöffnete Fenster drang das unverkennbare Dröhnen der Holzschwerter auf Schilden von weit unten im Trainingshof an sein Ohr.

Der Prinz warf einen missbilligenden Blick auf den Stapel Bücher und die Karten, die der Berater seines Vaters für ihn bereitgelegt hatte, und trat ans Fenster. Die Kämpe fanden so tief unter ihm statt, dass er kaum etwas erkennen konnte. Aber nach der bunt gemischten Kleidung der Gruppe, die da übte, musste es sich um die neuen Bewerber für die Königsgarde handeln.

Das Geräusch der Tür ließ ihn schuldbewusst herumfahren, aber statt dem strengen Duwish betrat Katim den Raum.

„Mein Prinz, Duwish bittet, ihn heute zu entschuldigen. Eine Sache in seiner Familie verlangt seine Anwesenheit."

Pentim nickte. „Dann übernimmst du die Lektion?"

„Nein, ich kann nicht. Ich muss den König bei der Anhörung eines Streits zwischen den Häuser unterstützen. Du erinnerst dich bestimmt an die leidige Sache mit den Wasserrechten. Möchtest du mich begleiten?"

Pentim verzog das Gesicht. Er wusste genau, von welchem Fall Katim sprach, und er hatte nicht die mindeste Lust, sich den ganzen Morgen die absurden Vorwürfe der beteiligten Parteien anzuhören.

Auf Katims Lippen bildete sich der Hauch eines Lächelns. „Nun, ich glaube, es reicht wenn der König und ich unsere Zeit damit verschwenden. So, wie du ständig zu dem Fenster da drüben schielst, möchtest du dir vielleicht lieber selbst ein Bild der neuen Bewerber machst, mein Prinz."

Das ließ sich Pentim nicht zweimal sagen. Er war bereits unter der Tür, als er sich an seine guten Manieren erinnerte. „Danke, Katim."

„Keine Ursache. Ich erwarte aber einen schriftlichen Bericht über den Verlauf der Übungen mit Empfehlungen zuhanden des Königs. Einverstanden?"

Pentim nickte seufzend. „Einverstanden. Bis später, Katim."

Die Enttäuschung über den Auftrag hielt nicht lange an. Zwei Stufen auf einmal nehmend rannte der Thronfolger die Treppen hinunter und stürmte in den Hof, wo immer noch Schwertkämpfe stattfanden. Er suchte sich einen Beobachtungsplatz, an dem er niemanden störte, und lehnte sich gegen eine Mauer, um das Treiben zu beobachten.

Die meisten Bewerber waren etwa in seinem Alter, manche wohl auch etwas jünger. Zu seiner Überraschung gab es darunter einige Mädchen. Nahm sein Vater tatsächlich Frauen in die Garde auf? Er konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Aber er musste zugeben, dass mindestens zwei der Bewerberinnen mit dem Schwert angemessene Geschicklichkeit bewiesen. Vielleicht sollt er den König auf sie aufmerksam machen. Frauen als Kämpferinnen wären bestimmt eine interessante Ergänzung der normalen Garde.

Dann fiel sein Blick auf ein seltsames Paar. Ein großer, etwas schlaksiger junger Mann in den rot-goldenen Farben eines der sechs führenden Häuser von Penira schlug gnadenlos mit seiner Holzwaffe auf einen braunhaarigen Jungen in abgewetzter Kleidung ein. Dieser verteidigte sich verzweifelt. Es war offensichtlich, dass er keine Übung im Umgang mit dem Schwert besaß. Wie kam jemand wie er dazu, sich für die beste Kriegerschar des Landes zu bewerben? Pentim schüttelte den Kopf. Würde er den Kampf beaufsichtigen, hätte er ihn schon längst abgebrochen und den Jungen nach Hause geschickt.

Der Krieger, der die Aufsicht führte, schien anderer Meinung zu sein. Pentim kannte ihn, ein harter, aber gerechter Mann. Wenn er den Kampf zuließ, musste er wohl etwas in dem mageren Kerl sehen. Er schaute genauer hin. Der ärmlich gekleidete Junge parierte Schlag um Schlag, ohne je die Gelegenheit zu finden, selbst einen Angriff zu starten. Seine Reflexe waren gut, auch wenn er keine Ahnung vom Schwertkampf besaß. Pentim nickte. Mit dem richtigen Training konnte aus ihm etwas werden. Dann entwaffnete der größere Gegner ihn mit einer geschickten Finte und presste ihm die Klinge auf die Brust. Kein Zweifel, hätte es sich hier um ein scharfes Schwert gehandelt, wäre der Junge jetzt tot. Selbst so breitete sich auf seinem Hemd ein roter Fleck aus.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt