26 - Der Bogenschütze

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Das Herz schlug wie eine Trommel in Lihas Brust als er mit Melishs Abteilung in die Schlacht ritt. Die Hufe der Pferde donnerten über den Boden und Hrans schwarze Mähne peitschte sein Gesicht. Er beugte sich tief über den Hals des Rappen und sog die kalte Luft in seine Lungen. Sie war gesättigt mit dem Geruch nach feuchter Erde. Voraus konnte er die Krieger in den Farben des  des Königs erkennen, die sich mit den Nordländern duellierten. Jetzt verstand er auch, warum Melish ihnen im Morgengrauen befohlen hatte, heute die Farben des Hauses Diun zu tragen. Berim hatte ihm einen Überwurf in Hellblau und Gold gereicht. Zumindest würden diese Uniformen helfen, Freunde von Feinden zu unterscheiden.

Wie er es Berim versprochen hatte, hielt Liha sich an die anderen Bogenschützen. Die rund zwei Dutzend Männer ritten an der linken Flanke. Noch während sie sich dem Kampfgeschehen näherten, zogen die erfahreneren Krieger einen Pfeil aus dem Köcher und legten ihn auf die Sehne.

Liha folgte ihrem Beispiel, aber Reiten und gleichzeitig einen Bogen zu bedienen war nicht einfach. Seine Kollegen hatten längst ihre ersten Pfeile fliegen lassen, als es ihm endlich gelang, sich mit den Beinen im Sattel festzuhalten, die Zügel um den Sattelknauf geschlungen, und den Bogen zu spannen. Seine ersten beiden Pfeile trafen ins Leere, sein dritter verletzte beinahe einen Mann der königlichen Garde anstelle des Söldners, auf den er gezielt hatte. Er biss die Zähnen zusammen und unterdrückte einen Fluch. Warum hatte ihm niemand gezeigt, wie er vom Pferderücken aus zielen musste? Zudem fiel es ihm schwer, vorauszusehen wie ein Mensch im Kampf sich bewegen würde. Einen Hirsch zu erlegen schien im Vergleich ein Kinderspiel.

Er beobachtete die anderen Schützen, um ihre Technik zu kopieren und veränderte seinen Sitz im Sattel. Wenn er heute zu etwas nützlich sein wollte, musste er schnell besser werden. Mit zusammengekniffenem Mund legte er einen weiteren Pfeil auf die Sehne, zog sie bis zu seinem Wangenknochen zurück, zielte auf einen stämmigen Krieger, der einen Gardisten mit seiner Hellebarde bedrohte, und ließ los. Der Pfeil durchschlug den Arm des Söldners mit einem dumpfen Geräusch. Der Mann ließ mit einem überraschten Gesichtsausdruck die Waffe fallen. Sein Gegner nutzte die Gelegenheit und stach mit dem Schwert zu, winkte Liha kurz zu und eilte weiter, um einem Kollegen zu beizustehen.

Das war schon besser. Auf der Suche nach einem neuen Ziel ließ Liha Hran sich um sich selbst drehen während er den nächsten Pfeil aus dem Köcher zog. Melishs Männer hatten sich inzwischen verstreut und mit den Kämpfenden vermischt. Immerhin waren die Bogenschützen in einer Gruppe zusammen geblieben. Er sandte seinen nächsten Pfeil ins Gewimmel des Kampfes.

Aber Lihas Köcher wurde schnell leer, bald würde er ohne Pfeile dastehen. Da bemerkte er, dass andere Bogenschützen von ihren Pferden gestiegen waren und am Rand des Schlachtfelds Schäfte aufsammelten. Er tat es ihnen gleich, froh, aus dem Sattel zu kommen und dass sich der Kampf inzwischen weiter flussaufwärts verlagert hatte. Hran begann sofort, an dem braunen Gras zu knabbern, als ob es keine Schlacht gäbe. Liha schickte ihn mit einem Schlag auf den Hintern weiter weg vom Kampfgeschehen.

„Pass auf dich auf, mein Freund."

Während er einen Pfeil aus dem Kadaver eines Pferdes riss, ließ ein lauter Ruf ihn aufhorchen.

„Bogenschützen, bewacht die Furt." Das war Melish, er musste also doch irgendwo in der Nähe sein. Als Liha sich nach dem Anführer umsah, erkannte er die drohende Gefahr.

Auf der anderen Seite des Geai hatte sich eine Abteilung von Söldnern gesammelt und stürmte nun begleitet von lautem Geschrei Richtung Fluss. Mit seinen hastig aufgesammelten Pfeilen rannte Liha zu den Männern der Garde, die am Uferhang aus ihren Schilden eine improvisierte Verteidigungslinie aufbauten. Er fand eine Lücke zwischen einem blonden Krieger mit stechend blauen Augen und einem drahtigen, grauhaarigen Mann, der sein Großvater hätte sein können. Entschlossen rammte er seinen Schild zwischen ihnen in den Boden und hob den Bogen. Die beiden begrüßten ihn mit einem kurzen Nicken, ohne die Augen von den heranpreschenden Feinden zu nehmen.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now