24 - In den Kampf

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Hran stolperte an einer unebenen Stelle und einen Moment lang kämpfte Liha überrascht um sein Gleichgewicht. Der Weg stieg nun wieder an, er konnte sich nicht mehr erinnern, zum wievielten Mal. Diese Nacht schien ihm endlos lang und er fühlte sich der Erschöpfung nahe. Kein Wunder war auch sein Pferd am Ende der Kräfte.

Er unterdrückte ein Gähnen und blinzelte. Erst da erkannte er voraus eine dunkle Kontur vor dem Sternenhimmel — die Kuppe des Hügels, den sie erklommen. Außerdem fiel ihm zum ersten Mal auf, dass der Himmel im Osten eine tiefblaue Farbe angenommen hatte und die Sterne dort bereits verblassten. Kurz darauf zeichneten sich in der Dämmerung die ersten Konturen des Landes ab. Der Morgen war nahe.

Liha rieb sich die Augen, froh über das erste Licht, selbst wenn es im Moment noch zu dunkel war, um viel von der Umgebung zu erkennen.

Er drehte den Kopf und lächelte Dánirah zu, die immer noch stetig neben ihm ritt, als wäre sie nicht auch zum umfallen müde und würde zum ersten Mal reiten. Sie und die Stute hatten diesen Platz die ganze Nacht gehalten, während der Drachenschatten Melishs Trupp mit seinen Feuersignalen durch die Hügel führte. Die unauffällige Gegenwart und Ruhe der jungen Frau hatten ihm geholfen, alle Zweifel beiseite zu schieben und dem ungewöhnlichen Führer am Himmel zu vertrauen, selbst wenn die Krieger auf diesem nächtlichen Ritt einige plötzliche Richtungswechsel in Kauf nehmen mussten.

Manchmal flog der Drachenschatten hoch über ihnen am Himmel und zeigte ihnen die Richtung nur mit gelegentlichen Feuerstößen an, als ob es nicht so wichtig wäre, welchen Weg sie genau einschlugen. Manchmal kam das Wesen der Nacht aber so nahe, dass Liha glaubte, das Rascheln seiner mächtigen Flügel zu hören und fürchtete, sein loderndes Feuer könnte das Grasland in Brand stecken. Dann zeigte es meist eine abrupte Kursänderungen an, die sie manchmal durch beinahe unwegsames Gelände führte. In diesen Momenten halfen die langen Feuerstösse den Pferden und Kriegern, den Weg durch einen tiefen Einschnitt oder über einen Bach zu erkennen.

Auf der langgezogenen Kuppe ließ er Hran langsamer werden. Ihr Führer, den er nun gegen den heller werdenden Himmel besser erkennen konnte, flog einen weiten Bogen, winkelte die Flügel an und tauchte in die Schatten einer Schlucht westlich ihres hochgelegenen Standorts.

Überrascht zügelte Liha sein Pferd und wartete, dass der Drachenschatten zurückkam. Aber er tauchte nicht wieder auf. Mit gehobenen Brauen wandte er sich an Dánirah. „Wo fliegt der Drache denn jetzt hin? Sollten wir im da hinunter folgen?"

Sie zuckte ratlos die Schultern. „Dieser Abstieg ist zu steil für die Pferde. Lass uns noch einen Moment warten bis es heller ist und wir einen sicheren Weg finden können."

Berim drängte sein Pferd neben sie und folgte ihrem Blick. „Ich glaube eher, wir sind am Ende der Strecke angekommen, die der Drachenschatten uns führen konnte oder wollte. Die Hrankae sind Kreaturen der Nacht und Sonnenaufgang steht uns unmittelbar bevor. Dein Drachenfreund wird wohl ein Versteck für die Tagesstunden aufsuchen, jetzt, wo es hell wird und wir den Weg selbst erkennen können."

Dánirah studierte das Gelände im Norden, das sich in der Dämmerung abzuzeichnen begann. „Du hast recht. Der Abstieg in dieser Richtung ist viel einfacher. Die Hrankae hat uns soweit geführt, wie sie konnte."

„Sie?" Berim schenkte ihr einen fragenden Blick.

„Ich glaube, es ist eine sie, auch wenn ich nicht weiß warum." Dánirah lächelte entschuldigend. „Aber das spielt wohl keine Rolle. Schaut, da unten." Sie zeigte hinunter ins Tal des Geai, wo dichte Schwaden des Morgennebels den Fluss noch verbargen.

Liha konnte zunächst nicht erkennen, was Dánirah meinte. Erst nach einer Weile nahm er eine Bewegung auf einem Hügel über den Nebelfetzen wahr, die nicht natürlich sein konnte. Nein, dort am gegenüberliegenden Hang zogen Reiter in Richtung des Flusses. Als sie Sonne einen ersten Strahl Licht über den Horizont sandte, konnte ihre langen Lanzen aufblitzen sehen. Etwas weiter westlich glommen im noch schattigen Flusstal mehrere helle Punkte, wohl Feuer eines Feldlagers.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinWhere stories live. Discover now