14 - Kriegsrat

30 9 3
                                    

„Pentim, es ist jetzt Zeit."

„Ja, Vater." Der Prinz strich sich seine Jacke glatt, wandte sich vom Fenster ab und gesellte sich zum König, der unter der Tür auf ihn wartete. An jedem normalen Morgen wäre er lieber hinunter in den Hof gelaufen, um an den Waffenübungen teilzunehmen, statt seinen strengen und oft unnahbaren Vater zu einer Ratssitzung zu begleiten. Aber heute war ein Kriegsrat einberufen, und Mirim aus dem Haus Diun wollte seinen Sohn und Thronfolger mit dabeihaben.

Pentim wusste, dass das ein Ehre war. Während er an der Seite des Königs den Gang entlang zum großen Ratszimmer schritt, verspürte er ein aufgeregtes Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Würde sein Vater heute tatsächlich das Heer gegen Norden schicken?

Als ein Palastwächter mit einer knappen Verbeugung die Tür zum großen Ratszimmer öffnete, verstummten die Gespräche in dem reich ausgestatteten Raum. Rings um den ovalen Tisch aus dunkel geöltem Holz standen mehrere Offiziere in ihren glänzenden Rüstungen und farbenfrohen Mänteln. Neben ihnen wirkten seine beiden Lehrer Katim und Duwish, des Königs engste Berater, alltäglich und beinahe langweilig in ihren dunklen Roben.

Katim, der die Hände auf dem Rücken verschränkt hatte und ein ernstes Gesicht machte, dominierte die Männer durch seine selbstsichere Präsenz. Dagegen schien der rundlich und immer lächelnde Duwish überhaupt nicht in diese Runde zu passen. Pentim wusste aber aus eigener Erfahrung, dass beide Männer einen messerscharfen Verstand besaßen. Er war sicher, dass sie auch seinem Vater bei der Lenkung des Landes Kelèn unerlässliche Dienste leisteten.

Die versammelten Männer warteten schweigend, bis der König Platz genommen hatte, bevor sie sich ebenfalls setzten. Für Pentim war der Sessel zur Rechten seines Vaters reserviert. Er ließ sich auf dem purpurnen Sitz nieder und legte seine Arme auf die Lehnen. Es kostete ihn Mühe, nicht vor Aufregung die Finger um die Polster zu krampfen. Als Prinz hatte er in allen Situationen gelassen zu bleiben. Natürlich erwarteten sein Vater und Katim auch, dass er schweigend zuhörte und sich die wichtigen Teile der Gespräche merkte.

Sobald es so ruhig war, dass Pentim selbst das Summen einer Fliege als störend empfand, nahm der König das Wort.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Wie wir befürchtet haben, lässt sich der Krieg mit den Horden des Nordens nicht länger hinauszögern. Ihr alle habt dafür gesorgt, dass unser Heer bereitsteht. Nun ist die Zeit des Zögerns vorbei. Wir müssen handeln. Katim, was sind die neuesten Meldungen?"

Pentim wusste, dass der König sich in zahllosen nächtlichen Sitzungen von seinem Berater über die Entwicklungen informieren ließ. Dem besonnenen und zurückhaltenden Katim in dieser Runde das Wort zu geben sollte vermutlich den Heerführern zeigen, dass der König seine Entscheidungen nicht willkürlich traf, sondern sie auf die Basis verlässlicher Informationen abstützte.

Der Berater stand auf, verschränkte in seiner gewohnten Geste die Hände hinter dem Rücken und blickte in die Runde. War das ein Zwinkern in Richtung Pentims?

„Mein König, mein Prinz. Wir alle haben die Nachrichten und Gerüchte gehört. In den Straßen der Stadt spricht man von den brutalen Raubüberfällen und brennenden Dörfern in den nördlichen Provinzen von Kelèn. Es ist von Söldnerhorden die Rede, die tief in unser Gebiet eindringen um zu rauben und zu morden. Und wir wissen, dass diese schrecklichen Geschichten auf tatsächlichen Ereignissen beruhen. Wir wissen auch, dass zumindest drei Weiler diesseits des Selin niedergebrannt wurden. Und nun hat uns erstmals eine verlässliche Mitteilung erreicht, dass der Rat von Lelai seine Männer zu den Waffen ruft. In rund einem Mond könnte ein Heer aus Lellini gegen Süden ziehen."

Unruhe lief durch die versammelten Männer, und Pentim fragte sich, wer wohl Katim diese Meldungen zugetragen hatte. Er vermutete schon lange, dass der königliche Berater ein weit verzweigtes Netz von Informanten besaß. Dass niemand  an seiner Informationsquelle zu zweifeln schien, bestätigte den Verdacht des Prinzen.

Liha & Dánirah - Der Drache und die TräumerinМесто, где живут истории. Откройте их для себя